Das Grabmal mit Fotografie

Im dritten Land des Inneren Neustädter Friedhofes befindet sich inmitten des Bestattungsfeldes das verhältnismäßig kleine und auf den ersten Blick unauffällige Grabmal der Familie Benedix.


Der Schriftzug „Hier schlummert für immer unser herziges, edles Trudchen“ zeugt von der tiefen Trauer der Eltern über ihre bereits mit 21 Jahren verstorbene Tochter. Sie überlebten ihr Kind um mehr als zwei Jahrzehnte. Zum Andenken wurde eine Fotografie auf die Grabplatte aufgebracht. Sie präsentiert die junge Frau lächelnd und froh in einem feierlichen Kleid. Das Bild thematisiert nicht die Trauer, sondern zeigt vielmehr die lebensbejahende Frau.


In der zeittypischen Form der „carte de visite“ ist das Brustbild innerhalb eines Ovals gefasst. Seit 1860 trug dieses Bildformat wesentlich zur Verbreitung der Fotografie bei und wurde ab 1900 als übliches Porträtbild in allen Gesellschaftsschichten genutzt. Auf den Grabsteinen unseres Kulturkreises finden wir jedoch diese Form des Andenkens äußerst selten. Der verhältnismäßig gute Erhaltungszustand der Fotografie zeugt zudem von einer qualitätvollen und professionellen Fotografenarbeit.


Aus den Akten des Friedhofes geht hervor, dass die abgebildete Frau an diesem Ort jedoch nicht bestattet worden ist. Die ursprünglichen Inhaber der Grabstätte erhielten die letzte Bestattung am 30. August 1921 und erst 1952 konnte der Zigarrenmacher Karl Oswald Paul Benedix diese Stelle erwerben und im selben Jahr auch darin beigesetzt werden. Somit handelt es sich um einen bewussten Gedenkort für die Tochter, der das Kind mit seinen Eltern mental wieder vereint.


Für die Dresdner Friedhofsgeschichte ist dieses Grabmal ein Beispiel für die Vielfalt der Grabsteingestaltungen für Kleingrabmale. Daneben gewährt es uns Einblick in die Trauerkultur finanzärmerer Grabeigentümer der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Dr. Ulrich Hübner

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