Die Grabskulptur der Unbekannten
Sehr häufig begegnen uns auf Friedhöfen aufwendige Grabdenkmale, für die weder Bestattungsakten existieren noch aussagekräftige Inschriften überliefert sind. So verhält es sich auch mit der außergewöhnlichen freistehenden Skulptur im ersten Land des Inneren Neustädter Friedhofes, die hinter der Feierhalle ihren Platz gefunden hat. Ursprünglich könnte sie vom Kirchhof der Dreikönigskirche stammen und nach dessen Auflösung zum jetzigen Standort verbracht worden sein. Das würde zumindest die fehlende Aktenlage erklären.
Die anmutende Frauenskulptur - aus Sandstein gehauen – hält in ihrer linken Hand ein großes Schriftschild und stützt sich mit dem rechten Ellenbogen auf den Baumstamm, der symbolisch für das Weitergedeihen der Geschlechter und die tiefe Verwurzelung der Familienmitglieder steht. Bekleidet ist die Frau von einem faltenreichem Gewand, das die Konturen der Person verhüllt. Dabei sind jedoch die Falten des Kleides derartig fein ausgearbeitet und zeigen sowohl scharfe als auch harmonisch abgerundete Grate, dass sie gesamte Oberfläche der Skulptur zu einem fast graphischen Bild wird. Mit Stand- und Spielbein sowie mit geschwungener Hüfte entwickelt die Figur eine gekonnte Drehung, die sowohl kokett als auch bewegt wirkt. Der Kopf mit dem ausgeprägten Hals und den leicht geschlossenen Augen fängt die Haltung auf und betont hingegen vielmehr die Traurigkeit und das Innehalten.
Für die barocke Skulptur ist dieses Objekt ein exzellentes Beispiel in unserer Kulturlandschaft. Die noch lesbaren Jahreszahlen können ihre Entstehung in die Mitte des 18. Jahrhunderts verorten. Nach vollbrachter Restaurierung und der Wiederanbringung des zufällig aufgefundenen rechten Armes, der vermutlich witterungsbedingt abgebrochen war, steht die Skulptur in besonderem Glanz und ist nun in Patenschaft gegangen.
Dr. Ulrich Hübner